Schlingensief verbrennt Bücher
Bücher verbrennen ist für mich tabu. "Bücherverbrennung" ist ein verbranntes Wort und
man verbindet es heute nicht mit der Inquisition, mit unliebsamen Zauberbüchern oder
häretischen Schriften. Bücherverbrennung ist in unserem Gedächtnis mit 1933 verbunden.
man verbindet es heute nicht mit der Inquisition, mit unliebsamen Zauberbüchern oder
häretischen Schriften. Bücherverbrennung ist in unserem Gedächtnis mit 1933 verbunden.
Daher war ich erschrocken und wütend, als ich in der Zeitung las, dass Christoph
Schlingensief am 2.7.2002 in Düsseldorf als Aktion gegen W. Möllemann eine Bücher-
verbrennung startet und Bürger aufruft, das Buch von Möllemann, Bücher von Martin
Walser, Edmund Stoiber und Paul Spiegel zur Verbrennung mitzubringen.
Schlingensief am 2.7.2002 in Düsseldorf als Aktion gegen W. Möllemann eine Bücher-
verbrennung startet und Bürger aufruft, das Buch von Möllemann, Bücher von Martin
Walser, Edmund Stoiber und Paul Spiegel zur Verbrennung mitzubringen.
Kulturminister Michael Vesper (Die Grünen) distanzierte sich von der Teilnahme Schlingensiefs am Festival „Theater der Welt“, nachdem er von der geplanten Bücherverbrennung gehört hatte. Diese war vorher nicht nur in der Süddeutschen Zeitung und anderen überregionalen Blättern publiziert worden, sondern auch in Düsseldorf der Bevölkerung, den Schriftstellern, den Künstlern und dem Literaturbüro bekannt. Wo blieb deren Distanzierung? Wo war ein Wörtchen des Protestes zu hören? „Bücherverbrennung? Wat is dat denn? Isst dem im Juli nit wärm jenoch?“
Am 5.6.2002 wurde die Aktion auch im Bonner General Anzeiger angekündigt:
„Der Spaß freilich hört dort auf, wo in der Ankündigung zu lesen ist: "Erst wird er das neue Buch von Martin Walser signieren und danach die Bücher verbrennen.
Es lohnt nicht, darüber nachzudenken, was Schlingensief mit einer solchen Aktion im Sinn hat, und man muss auch keine lange Debatte über die Freiheit der Kunst führen, um dem Theatermacher eindringlich nahezulegen: In Deutschland darf es keine Bücherverbrennung mehr geben, auch keine angeblich künstlerisch verbrämte. Ein bisschen Selbstbesinnung und Nachdenken in all dem Theater-Aktionismus könnte nicht schaden.“
Schlingensief machte und provozierte und verbrannte und brüllte „Tötet, tötet“. (s. Video)
Es lohnt wirklich nicht, darüber nachzudenken? Ich machte ganz schnell ein Plakat auf einem Schild und Flugblätter, auf denen ich die Aktion von Christoph Schlingensief kritisierte. Was er machte, definierte ihn mir nicht als Bekloppten, obwohl ich seine eindeutig narzistischen Aktionen in deren Nähe rücken würde. Aber für mich war seine Bücherverbrennung eindeutig faschistoid. Ich textete „Ist Schlingensief verrückt? Nein. Ist er faschistoid? Ja!“
Am Ort des Geschehens stellte ich mich in die Nähe des „Künstlers“ und immer so, dass man meinen Text von den Kameras zu sehen bekam. Es gibt fast keine Aufnahme seiner Aktion, wo das nicht der Fall ist. Aber in keiner einzigen Berichterstattung gab es einen Hinweis auf meine Aktion und irgendeine Frage. Es wurde auch nicht gefragt, warum Schlingensief auf der Fahne Israels herumtrampelt und Bücher verbrennt.
Eine Journalistin wollte mir das Schild wegreissen. Ich hob es drohend in die Höhe und
brüllte, „Totet! Tötet“ und etwas leiser „Das ist eine Kunstaktion“. Sie war so blöd, dass sie
nichts begriff.
Es gab außer mir keine/n einzige/n Kreativen aus Düsseldorf, der/die sich eingemischt hat.
Warum? Die Antwort auf diese Frage führte bei mir nicht unbedingt zu einer Begeisterung
für die Kreativen, bildenden Künstler, Schriftsteller und deren Verbände und meine
Bereitschaft zur Solidarität schwand.
Ich ging nach Hause und dachte, „Abhauen, weg von hier! Du kannst hier nichts finden und
hast hier nichts verloren.“
Manfred Spies, 10. Mai 2017
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