Als ich mich während meiner Lehrzeit in der Mittagspause mit einem Taschenbuch von Tucholsky beschäftigte, sagte schmatzend der Abteilungsleiter: „Das hat man vergessen zu verbrennen.“ Ich verstand nicht, was er meinte und fragte meinen Freund Dieter Forte. Der klärte mich auf und ich war erstarrt darüber, dass man Bücher verbrannt hatte. Als Buchfan von Kindheit an begriff ich das nicht und war erschüttert. Als ich erfuhr, dass die Initiativen zur Bücherverbrennung von Studenten ausgingen, war ich fassungslos.
Darum kann ich das nicht vergessen.
Wikipedia:
Die Bücherverbrennung in Deutschland am 10. Mai 1933 war eine von der Deutschen Studentenschaft geplante und inszenierte Aktion, bei der Studenten, Professoren und Mitglieder nationalsozialistischer Parteiorgane die Werke von ihnen verfemter Autoren ins Feuer warfen. Sie fand unter der Führung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) in Berlin und in 21 weiteren deutschen Universitätsstädten statt.
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Bücher wurden aus privaten haushalten abtransportiert.... |
...und an den Sammelstellen abgegeben.
Die öffentlichen Bücherverbrennungen waren der Höhepunkt der sogenannten „Aktion wider den undeutschen Geist“, mit der kurz nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten, im März 1933, die systematische Verfolgung jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller oder politisch unliebsamer Schriftsteller begann…
Fast alle Universitäten beteiligten sich an dieser Aktion und Lehrkörper, Dekane und Rektoren unterstützten sie. Es kam zu organisierten Übergriffen gegen jüdische Dozenten, Mitarbeiter der Verwaltung und Mitstudenten, Vorlesungen wurden gestört und boykottiert, jüdische Professoren am Betreten ihrer Arbeitsstätte gehindert.
Auch Buchhandel und Bibliotheken unterstützten tatkräftig die studentische Aktion. Das Fachorgan des „Verbandes Deutscher Volksbibliothekare“ und das „Börsenblatt des deutschen Buchhandels“ verbreiteten die Verbotslisten und kommentierten sie, die Bibliothekare wiesen in ihren Erläuterungen etwa darauf hin, dass die zu vernichtende Literatur vorwiegend jüdischer Provenienz sei.
Bei den in allen Universitätsstädten, aber auch vielen anderen Orten stattfinden Verbrennungen nahm die Öffentlichkeit und die Medien regen Anteil. In München gab es am 10. Mai 1933 über 50.000 Schaulustige auf dem Königsplatz. Sämtliche bayerischen Rundfunksender berichteten darüber.
Darüber hinaus gab es in vielen Städten von der Bevölkerung oder Gruppen
initiierte Bücherverbrennungen. In der Liste bei Wiki werden weitere 69
Städte genannt.
Das alles passierte natürlich, ohne dass jemals jemand davon gewusst hat
und sich nach dem Krieg an so etwas erinnern kann.
Kleiner Auszug aus „Liste der im Nationalsozialismus verboten Autoren:
Alfred Adler, Vicki Baum, Walter Benjamin, Ernst Bloch, Berthold Brecht, Max
Brod, Alfred Döblin, Albert Einstein, Kurt Eisner, Friedrich Engels, Lion
Feuchtwanger, Sigmund Freud, Andre Gide, Claire Goll, Maxim Gorki, Oskar
Maria Graf, George Grosz, Raoul Hausmann, Heinrich Heine, Ernest
Hemingway, Magnus Hirschfeld, Ödin von Horvath, Henny Jahr, Erich
Kästner, Franz Kafka, Georg Kaiser, Alfred Kerr, Herrmann Kesten, Egon
Erwin Kisch, Klabund, Siegfried Krakauer, Karl Kraus, Karl Liebknecht, Otto
Linck, Rosa Luxemburg, André Malraux, Heinrich Mann, Thomas Mann,
Ludwig Marcuse, Karl Marx, Walter Mehring, Erich Mühsam, Robert Musil,
Robert Neumann, Franz Oppenheimer, Carl von Ossietzky, Wilhelm Reich,
Erich Maria Remarque, Joachim Ringelnatz, Joseph Roth, Nelly Sachs,
Arthur Schnitzler, Anna Seghers, Upton Sinclair, Rudolf Steiner, Carl
Sternheim, Bertha von Suttner, Ernst Toller, Leo Trotzki, Kurt Tucholsky, Fritz
von Unruh, Frank Wedekind, Ernst Weiss, Franz Werfel, Carl Zuckmeyer,
Arnold Zweig, Stefan Zweig
Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch
Menschen“ (Heinrich Heine aus „Almansor“)
Viele der oben genannten Autoren wurden später erschossen, enthauptet,
vergast oder verbrannt. Heute dürfen wir alles lesen.
Aber ich füge dem Satz von Heine hinzu.
Dort, wo man Bücher kaufen kann aber das öffentliche Vorlesen verboten ist, wird
am Ende die Freiheit verboten.
Ich beziehe mich damit auf einen bekannten Herrn, der mal
Oberbürgermeister in Düsseldorf war und mit dem ich mich demnächst
ausführlich beschäftigen werde. Horst Eckert lässt grüßen.
Manfred Spies, 10. Mai 2017
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