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Herbert Schoor wird 90 Jahre

Herbert Schnorr wird heute 90 Jahre. 
Ich gratuliere ihm sehr herzlich, wünsche ihm weiter Gesundheit und ein von Harmonie und Freundschaften geprägtes Leben.
Dieser Mann ist ein guter Mensch. Ich bewundere ihn für seine Bescheidenheit, seine Hilfsbereitschaft, seine Menschlichkeit und seine Ehrlichkeit. In einer SPD-Veranstaltung in den 80er-Jahren im Malkasten in Düsseldorf sagte Herbert Schnoor als Innenminister des Landes NRW zur Frage der Asylpolitik: 
„Mit Gesetzen werden wir das nicht lösen können. Wir können auch unsere Grenzen nicht dicht machen. SIE WERDEN KOMMEN, wenn sie fliehen müssen vor Krieg und Diktatur oder auch, wenn sie in ihrer Heimat gar keine Chance haben.“ 
Das war ehrlich und mutig. 
Herbert Schnorr hat auch mir sehr geholfen und ganz sicher einem afrikanischen Asylanten das Leben gerettet. Dafür danke ich ihm mein ganzes Leben lang.



Die Geschichte:
Im Herbst 1982 lernte ich einen Asylanten aus Togo kennen. Sein Name ist Kokou Atigli, sein christlicher Name ist Innocent. 
Er hatte in seiner Heimat - angestiftet von seinem Bruder - an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen und wurde verfolgt. Sein Bruder wollte ein Transparent tragen und konnte das nicht allein machen. Sein jüngerer Bruder Inno war kein politischer Mensch, er half nur seinem Bruder
Der Bruder wurde ins Gefängnis geworfen, Inno tauchte ab. Mit gesammeltem Geld floh er nach Europa. Der Bruder starb später im Gefängnis.



Fotos von Demonstrationen in Togo viele Jahre später, mehr Mut aber immer noch gefährlich


Wikipedia: „Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen haben viele Menschen aus Togo ins Exil gezwungen. Das ist bis heute so. Amnesty International beanstandete für das Jahr 2008, dass es zu Misshandlungen von Häftlingen gekommen sei und auch die Haftbedingungen selbst wurden als unmenschlich eingestuft. Im Jahr 2009 sollen mehrere Menschen in Polizeigewahrsam an Folter oder Misshandlung gestorben sein.“ 

Die Bilanz von mehr als 45 Jahren Alleinherrschaft der Familie Gnassingbé: regierungskritische Medien und eine freie Presse unterliegen staatlicher Zensur, repressives Vorgehen gegen staatskritische Haltungen, Korruption Kontrolle und Abhören der gesamten Telekommunikation, politische Gefangene, Menschen sind wauf Grund staatlicher Repressionen im Exil, Ermordungen politischer Aktivist_innen.

Natürlich war die Situation 1982 viel dramatischer als heute.

Inno hatte einen Anwalt. Der erklärte mir, er könne wenig für Innocent tun. Er bekomme für seine Vertretung von Asylanten 50 -DM, wenn diese gegen eine drohende Abschiebung Einspruch einlegen. Dafür könne er nicht Recherchen anstellen und umfangreiche Schriftsätze schreiben. Auf meine Frage sagte er, die Chancen für Inno stünden 5 : 95. Er wußte auch, dass bei einer Abschiebung von Innocent nach Togo die Polizei bereits am Flughafen wartet, ihn verhaftet und vielleicht ermordet, weil er ja mit seinem Asylantrag das Image von Togo international beschädigt. Achselzucken. „Kümmern Sie sich doch um ihn.“




Das tat ich. Wir legten Briefe von Verwandten und immer wieder internationale Berichte über die Situation in Togo vor. Jeden Monat ging ich mit ihm zum Ausländeramt im Will Dommel-Haus auf der Immermannstraße, um dabei zu sein, wenn er einen weiteren Aufschub oder die Abschiebung erwartete. Ich sah monatlich vorher die Angst und nachher die Freudentränen in seinen Augen, wenn wir uns umarmten.
Mitte März 1983 erhielt Kokou Atigli einen Brief mit dem Datum seiner Abschiebung. Es war der Donnerstag nach Ostern, 7. April 1983.  Der Platz im Flugzeug sei bestimmt und er habe sich zur Sicherheit zwei Tage vorher bei der Polizei zu melden.

Ich hatte diesen Menschen fast sechs Monate lang kennen gelernt. Viele Gespräche und gemeinsame Aktivitäten zeigten mir einen ehrlichen, hilfsbereiten und verängstigten Menschen. Für mich stand fest: Den bekommen sie nicht.

Ich begann an einer einsamen Stelle in der Nähe des Rheinstadions zu trainieren, wie ich in wenigen Sekunden eine Kette und ein Nummernschloss so durch den Schritt, um den Körper, um den Hals und um eine Laterne legen konnte, dass man die Kette nicht abstreifen konnte, ohne mich zu erwürgen. Vor dem Einwohnermeldeamt stehen zivile Polizisten. Ich wollte möglichst lange dort bleiben.

Von der SPD besorgte ich mit ein Megaphon. Ich schminkte Gesicht und Hände schwarz, zog mich sehr warm an, denn es war Ostern sehr kalt in diesem Jahr und ließ mich von einer Freundin zur Immermannstraße fahren. Am Montag, 28.3.1983 um 10 Uhr stand ich angekettet an die Laterne vor dem Ausländeramt. Die Freundin fuhr zu allen Zeitungen mit einer Presseinformation. 


"Schiebt mich ab!"



Ich begann mit dem lauten Megaphon den Mitarbeitern in dem Hochaus meine Botschaften zuzurufen. Es waren die Gründe für meine Demo, Zitate aus der Bergpredigt, andere Zitate aus der Bibel, die ich mit Ostern verband und Fragen an die Frauen und Männer, die dort arbeiteten. „Wenn ihr heute Abend aufsteht und nach Hause geht, könnt ihr dann die Forderung „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ positiv beantworten? Könnt ihr zufrieden sein bei der Feststellung im Matthäus-Evangelium, „Was du dem geringsten meiner Brüder nicht getan hast, das hast du mir nicht getan?“
Ich erzählte ihnen von Innocent und sagte, „Ihr habt ihn nicht gekannt, ihr habt nicht die Angst in seinen Augen gesehen. Aber ihr schiebt ihn ab. Ihr werdet ihn nicht bekommen. So wie ich hier bin, werde ich mit seinem Pass zum Flughafen gehen. Schiebt mich ab. Mir wird nichts passieren.“
Die Leute in den Büros standen an den Fenstern. Ich war sehr betroffen, als ich eine Frau mit einem Taschentuch sah. Sie weinte.

Ein Junge auf einem Roller kam vorbei und fragte: „Warum sind sie denn an der Kette.“ Ich wies auf zwei Männer in Mänteln hin, die schon sehr lange auf der anderen Straßenseite standen und erklärte, „Ich will nicht, dass die Polizei mit hindert, weiter zu machen. Frag sie mal, ob sie Polizisten sind.“ Und lachend fügte ich hinzu. „Sie können mir ja mal einen heißen Kaffee spendieren.“ 
Der Kleine fuhr rüber und ich machte weiter. Nach einiger Zeit stand der Kleine mit einem großen Plastikbechern voll mit heißem Kaffe vor mir. „Sie hatten recht.“ Ich war gerührt und winkte den Beamten zu. Verbeugen konnte ich mich ja nicht. Ja, man kann wunderbare Menschen erleben, wenn man sich engagiert. Da findet man Verständnis, wo man es gar nicht vermutet.

Es kam die Presse und es kam der Leiter der Behörde auf die Straße. Er wusste von Anrufen der Zeitungen, wer ich bin. 
„Herr Spies, es ist doch sehr kalt hier. Lassen wir das doch drinnen bei einem Kaffee besprechen.“ 
„Wenn Sie mir vorher die schriftliche Annullierung der Abschiebung geben, kette ich mich los.“ 
„Das kann ich doch nicht.“ 
„Dann bleibe ich hier und komme morgen wieder.“

Meine Aktion ging bis 14 Uhr. Als Diabetiker muss man die Mahlzeiten einigermaßen einhalten. Ich wurde abgeholt.

Anscheinend hatten sich die Zeitungen auch bei der Stadt und beim Innenministerium erkundigt. Nachmittags erhielt ich einen Anruf von Michael Müller, der damals noch Geschäftsführer der SPD-Ratsfraktion war.
„Herbert Schnoor will dich kennen lernen.“
„Warum?“
„Diese Frage will er wahrscheinlich dir stellen.“

So war es. Der Innenminister Herbert Schnoor schickte seinen Mitarbeiter raus, wir waren unter vier Augen und er fragte: „Warum machen Sie das.“
Ich erklärte ihm alles und sagte ihm auch ehrlich: „Da ist ein Mensch, der in Gefahr ist. Den bekommen Sie nicht. Nur über meine Leiche.“

Herbert Schnorr überlegte nicht, er schwieg auch nicht lange.
„Ich helfe Ihnen, weil ich Ihnen glaube und es menschlich sehr gut finde, was Sie machen. Aber ich bin auch Politiker. Bitte hängen Sie meine Hilfe nicht an die große Glocke, sonst habe ich morgen hundert Innocents vor der Türe.“

Es gab von mir keine Silbe Information an die Medien.

Inno wurde nicht abgeschoben. Er bekam eine Aufenthalts- und eine Arbeitserlaubnis. In meinem Restaurant TANNENBAUM fing er als Küchenhilfe an und war später stellvertretender Küchenchef. Von meinen Köchen, u.a. von dem heutigen Star Guy de Vries in Mönchenwerth, hat er sehr viel gelernt. Andere Fotos von Inno, vom TANNENMBAUM und von der ganzen Aktion sind alle im Depot des Stadtmuseums.

Guy de Vries, Foto aus Mönchenwerth-Homepage


Herbert Schnoor, wir sind dir beide immer dankbar. Du gehörst zu Politikern wie Olof Palme. Unprätentiös, ehrlich, menschlich und dabei professionell. Du verkörperst meiner Meinung das, was uns heute fehlt.

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"Sozialisten können Christen sein – Christen müssen Sozialisten sein." - Adolf Grimme

"Als Sozialist muss man das Paradies auf Erden prinzipiell für möglich halten" - Gerhard Schröder (SPD)
(Damit meinte er hoffentlich nicht - wie heute die meisten - das eigene Paradies)

„Das Unmögliche zu wollen, ist die Voraussetzung dafür, das Mögliche zu schaffen“  
Karl Liebknecht

"Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts." - Willy Brandt (SPD)

„Beim heutigen Stand der Dinge ist eben doch der Sozialismus die einzige Lehre, die an den Grundlagen unserer falschen Gesellschaft und Lebensweise ernstlich Kritik übt.“ - Hermann Hesse

"Eine Gesellschaft, die alle Lebensbeziehungen den Gesetzen des Marktes unterwirft, trägt Anzeichen von totalitärer Ideologie, die lebensgefährlich ist für den Staat."
Johannes Rau (SPD)

„Armer Mann trifft reichen Mann und sehn sich an. Da sprach der Arme zum Reichen: "Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich!“ 
Bertoldt Brecht

Man muss die SPD kritisieren um ihrer verfluchten Feigheit willen.
Walter Jens

Um zu erfahren, wer über euch herrscht, braucht ihr nur herauszufinden, wen ihr nicht kritisieren dürft.
Voltaire

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Manfred Spies, 1. Juni 2017




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