Seit 1986 hängt bei mir ein Bildchen an der Wand. Es zeigt Walter Ulbricht mit einer handgeschriebenen Notiz eines Freundes, den ich damals im Sommer in Dresden besucht hatte. Die Notiz lautet:
„15. Juni 1961
Der Staatsratsvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht, erklärt auf einer Pressekonferenz: NIEMAND HAT DIE ABSICHT, EINE MAUER ZU ERRICHTEN.“
Im Auguste 1961 wurde ein Gartenzaun um das Paradies DDR errichtet.“
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Der Freund wollte mir damals wütend seinen Pass geben: „Den brauche ich doch sowieso nicht.
Auf einer Fahrt mit dem Elb-Raddampfer „Freiheit“ sah ich eine traurig machende Dekoration auf dem Schiff. Realsatire. Die Fenster und die zugemauerten Akademietüren am Zwinger waren Realität. Eines meiner besten Fotos "Ohne Worte" machte ich in Dresden an einer Unterführung.
Dekoration auf dem Elbe-Raddampfer. Wohin soll der Sachse reisen? Wohin er gar nicht will? |
Kunstakademie-Tor. Das ist symbolisch. |
Die DDR-Ofensetzer und Fließenleger waren organisiert in "Freies Leben" |
Fenster zum Paradies |
Paradiesischer Gasthof |
Die Parole am Weksgelände der am Elbufer gelegenen Fabrik lautet: "Der unzerstörbare Bruderbund mit der Sowjetunion - Fundament unseres Voranschreitens." |
Überall und an den beklopptesten Orten gab es Parolen. An Stellen, wo die Fabriken mit Chemie-Abwässern die Elbe töteten und an Müllhalden, war das Realsatire. |
In völlig vergammelter Weise bewegt sich die DDR siegreich abwärts. |
Die Mauer fiel am 9. November 1989. Der Freund kam mich in Düsseldorf besuchen. Mit seinem Pass. Er sah das Bildchen in meiner Wohnung und weinte.
Manfred Spies, 15. Juni 2017
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