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Nachgedacht am 22.November 2017

D-Politik
Nachgedacht am 22.November 2017
Manchmal bin ich nicht mehr meiner Meinung.
Vor der letzten Bundestagswahl und erst recht danach war ich der Meinung, eine Koalition mit der CDU/CSU sei für die SPD schädlich. Die Partei hatte sich zu lange dominieren lassen und angepasst. Und sie hatte keine eigenen Ideen, schon gar nicht Visionen, keine wirklichen Alternativen zur Praxis von Frau Merkel. Und wenn die SPD solche Alternativen hatte, dann hatte sie kein Rückgrat oder keine Power, diese umzusetzen.
Die Bürger wählten nicht oder sie wählten aus Frust anders, als die SPD es sich erhoffte.Die Wahl ging verloren, Noch am gleichen Abend war nach der abrupten Reaktion von Martin Schulz klar: So geht es mit uns nicht weiter, wir gehen in die Opposition. Dort, außerhalb einer Regierung, wollte man sich erneuern und Kräfte sammeln. Dem stimmten große Teile der Mitglieder zu, ebenso große Teile der Bevölkerung, nicht alle Medien. Auch ich fand diesen Gang in die Opposition richtig, obwohl ich erkannte, dass der Stimmenverlust kein Mandat ausschließlich für die Opposition war.
Ich finde das im Rückblick unter den damaligen Umständen immer noch in Ordnung. Niemand ahnte, was in den folgenden Wochen passierte.
Nun gibt es nach zwei Monaten keine Regierung aus CDU/CSU, FPD und Grünen. Und es scheint auch keine Auswege aus dem Dilemma zu geben. Da versichern CDU und Grüne gebetsmühlenartig die Bereitschaft zu neuen Gesprächen. Und die FDP reagiert geradezu hysterisch auf weitere Berührungen mit Schwarz und Grün. Wenn man sich Frau von der Leyen und Herrn Kubicki bei Frau Maischberger (ARD) am 21.11 angesehen hat, erwartete man im nächsten Moment eine Prügelei. Auch die Argumente des Grünen-Streiters wurden von Kubicki als Lügen und Märchen bezeichnet. Die sollen noch einmal zueinander finden? Niemals. 
Alle Alternativen wie Minderheitsregierung und Neuwahlen (in einem halben Jahr???) sind inakzeptabel. Dieser Meinung sind auch der Bundespräsident Steinmeier und der Parlamentspräsident Schäuble. Eindringlich wie noch nie ermahnten sie ALLE Parteien, nicht an sich zu denken, sondern an das Land und die Menschen. 
Aber alle reden immer nur von „über den Schatten springen“. Damit sind Personen gemeint und ihre Parteien. Die Achtung vor der Demokratie, das Wohl des Volkes und der Respekt vor dem Wähler können nicht über einen Schatten springen. Aber es scheint unmöglich für unsere Politiker zu sein, die Gedanken daran fallen zu lassen, was "gut für die Partei" und was nützlich für die Funktionäre ist.
Und was ist mit der SPD? Sie soll konsequent sein und weiter auf ihrer Oppositionsrolle beharren?
Da bin ich nicht mehr meiner Meinung. Und ich lese und höre Gleiches auch von sehr vielen anderen. „Die Situation ist eine andere als nach der Wahl!“ „Niemand hat mit dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen gerechnet.“ „Wir dürfen nicht wie Betonköppe reagieren, nur weil wir nicht als Umfaller, Schwächlinge, Machtgeile da stehen wollen.“
Aha, es geht also auch bei der SPD nur um die Partei und um einen Gesichtsverlust, nicht um eine Verantwortung für das Land, die so ausdrücklich zwischen dem 25.September und dem Scheitern der Jamaika-Gespräche nicht gefordert wurde.
Das ist eine in der Geschichte noch nicht da gewesene Situation. Sieht die SPD nicht, dass sie darauf in einer nicht geplanten Weise reagieren muss?
„Eine erneute große Koalition wird die SPD als kleineren Regierungspartner noch kleiner machen.“ Das ist Blödsinn. Die SPD hat in dieser Situation, in der alle anderen incl. Steinmeier und Schäuble verzweifelt und hilflos erscheinen, die Chance, wie ein Retter aufzutreten. Wenn die SPD-Macher tatsächlich „über ihren Schatten springen“, werden sie keinesfalls ihr Gesicht verliere. Sie werden gefeiert werden, WEIL sie keine Angst hatten, ihr Gesicht zu verlieren zugunsten Deutschlands. Alle anderen haben versagt. Die SPD holt die heißen Kartoffeln aus dem Feuer! Die SPD wird nichts an Ehre einbüßen, denn sie tut etwas Ehrenhaftes.
Und weil das so ist und es der einzige, vernünftige Ausweg aus diesem Stillstand in einer politischen Sackgasse ist, kann die SPD Forderungen stellen, die sie in der letzten Koalition und vor dem 19. November. niemals hätte stellen können. Sehen das die Dickköpfe nicht? 
Es wurde nicht erst seit der Bundestagswahl beklagt, dass die Politiker den Kontakt zu den Wählern verloren haben. Noch kurz vor dem Wahlabend diskutierte Martin Schulz in einer TV-Sendung lange, offen und ausgiebig mit Jugendlichen und meinte am Schluss, „So etwas muss es eigentlich jeden Monat geben.“ Ja, es muss den Bürgern mehr erklärt werden. Es ist doch jedem verständlich zu machen. "Wir hatten uns festegelegt. Das war auch richtig bis zum Scheidern der Jamaika-Verhandlungen. Danach sehen wir Gefahren. Und letztlich haben uns die eindringlichen Worte des Bundepräsidenten umgstimmt. Darür schämen wir uns nicht und wir bitte alle Bürger um ihr Verständnis. Jawohl, wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen."
Und wenn man in großen, bezahlten Anzeigen, in Flugblättern und Talk-Shows den Menschen einfach und eindringlich erklärt, warum man mit einer erneuten Regierungsbeteiligung nicht umgefallen ist, sondern mit geradem Rückgrat steht, dann werden die Wähler es verstehen und die Mitglieder werden wieder kommen. Sogar ich könnte mir vorstellen, wieder um eine Mitgliedschaft zu bitten.
Manfred Spies, 22.November 2017

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